“Kinderlosigkeit gestoppt” titelte im Juli diesen Jahres die ZEIT. Unter Akademikerinnen liegt die Quote derer, die sich gegen Kinder entscheiden aktuell allerdings noch immer bei 25 Prozent. Ich zähle nicht mehr dazu. Meine kinderlose Zeit ist vorbei. Mit 32 Jahren zum ersten Mal Mama zu werden, befördert mich wahrscheinlich irgendwo ins statistische Mittelfeld. Aber genug von Zahlen und Durchschnittswerten, das voller Vorfreude erwartete Baby ist da und mit ihm hat sich mein ganzes Leben verändert.
Muttermilch statt Moscow Mule
Meinen gewohnten Alltag gibt es nicht mehr. Vor dem Baby drehten sich meine Gedanken darum, ob ich nach der Arbeit Zara oder Mango nach neuen Schätzen durchstöbere, welches Restaurant wir am Wochenende besuchen und wohin unser nächster Städtetrip führen soll. Jetzt mache ich Online-Shopping und Kinderwagentouren an Stelle von Flugreisen. Und ein neues Wort ist neben Baby in mein Leben eingezogen – Muttermilch! Bereits im Krankenhaus glänzten die Augen der Schwestern, wenn sie über das weiße Gold sprachen – ehrfürchtig als wäre es der Heilige Gral und könnte die Menschheit vor allem Elend bewahren. Ich hatte nicht wirklich darüber nachgedacht, was es bedeuten würde, als ich an einem Septembermorgen an der Anmeldung auf einem schummrig beleuchteten Krankenhausflur stand und die Frage, ob ich stillen wolle mit einem überzeugten JA beantwortete.
Aller Anfang ist schwer
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Müttern bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats ihr Baby voll zu stillen und vor Vollendung des vierten Lebensmonats auf keinen Fall Beikost einzuführen. Diese Empfehlung hatte ich abgespeichert und wollte mich auch daran halten. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich jedoch noch nicht, was alles auf mich zukommen sollte und dass unser Weg zu einer guten Stillbeziehung mit so manchem Stolperstein gepflastert wäre. Nach nunmehr knapp drei Monaten kann ich ein leises, melancholisches Liedchen singen, das mit dem sterilen Geräusch von Milchpumpen eingeleitet wird. Mit diesen Herausforderungen musste ich mich ebenfalls auseinandersetzen: Schmerzende, wunde und blutige Brustwarzen, ein Kind, das an meiner Brust permanent einschlief, Brüste auspacken, einpacken, zehn Minuten Pause, dann wieder ran, fünf Minuten Pause, das gleiche Spiel von vorne (das nennt sich “Stillen nach Bedarf”), Stunden um Stunden auf dem Sofa, dem Schaukelstuhl, dem Bett und den unumstößlichen Satz meiner Hebamme im Ohr: “Da hilft Muttermilch” – egal ob bei trockenen Stellen, kleinen Rötungen oder gereizten Brustwarzen – Amen! Aber nicht nur meine Hebamme wusste allzeit einen Rat, auch mein Umfeld hielt sich mit gut gemeinten Ratschlägen nicht zurück, was uns an besonders anstrengenden Tagen fast zur Flasche getrieben hätte. Aber ich wollte unbedingt durchhalten und tat es auch, denn ich war noch nie jemand, der bei Regen gleich ins Trockene flüchtete. Da musste schon eine Sturmflut kommen, um mich zu vertreiben.
Und so gingen wir beide unseren Weg weiter, der noch nicht zu Ende ist. Denn es ist ein unbeschreiblich befriedigendes Gefühl, wenn das Baby während des Trinkens freudig gluckst und danach zufrieden einschlummert, die Händchen entspannt hängen lässt und ein kleines Rinnsal Milch aus dem Mundwinkel läuft.
Nach dem Stillen ist vor den Bauchschmerzen
Wer jetzt denkt, das wars, hat entweder keine Babys in seinem Umfeld oder unverschämtes Glück – denn nach zehn bis dreißig Minuten klopfen die bösen Bauchschmerzen als regelmäßige, ungebetene Gäste an die Tür und feiern im Bäuchlein des kleinen Erdenbürgers eine wilde Party. Dann hilft nur Nerven bewahren, umhertragen, schaukeln, wiegen, ein warmes Kirschkernkissen auflegen und hoffen, dass die Party bald vorbei ist und Ruhe einkehrt – bis sich der kleine Hunger wieder meldet und der kleine Mann so gierig sein Recht einfordert, dass unser Kater regelmäßig fluchtartig den Raum verlässt. Dann wird gezogen und geschluckt, als wäre es das letzte Mal.
Die Milch macht’s!
Mittlerweile hat mein Baby schon das Doppelte seines Geburtsgewichts erreicht. Fröhlich streckt es seinen Kugelbauch in die Welt und strampelt ausgelassen mit den kleinen Speckbeinchen. Bis der nächste Hunger sich ankündigt und es wieder heißt – ab an die Milchbar, es ist Happy-Hour!